Das PhänomexX Schülerlabor ist ein Erfolgsmodell. Neben Ahlen wird das Konzept seit vier Jahren an weiteren Standorten umgesetzt, darunter in Ibbenbüren, Emsdetten und Bocholt. Was zeichnet das PhänomexX aus und warum taugt es so gut als Modell-Schülerlabor?
Reinhardt Böhm: Experimentieren wird in den Schulen nicht unbedingt großgeschrieben, die Gründe dafür sind vielfältig. Bei uns können die Schülerinnen und Schüler – an das Curriculum angelehnt – ihre Experimentierfreude ausleben. Das ist uns sehr wichtig. Der Forschertag bei uns hat Auswirkungen auf den Regelunterricht – zum einen in der Vorbereitung und zum anderen in der Nachbereitung. Um die Lehrkräfte mit der Lernumgebung vertraut zu machen, laden wir sie vorab zu einer Fortbildung ein, in der sie sich selbst intensiv mit dem Material und den didaktischen und methodischen Möglichkeiten befassen. Die Lehrkräfte schätzen dieses Angebot sehr.
Derzeit dreht sich in Ihrem außerschulischen Lernort alles ums Thema „Schätzen und Messen“. Wie gehen Sie bei der Themenfindung vor und wie lange dauert es in etwa eine neue Ausstellung zu konzipieren?
Böhm: Wir sind ein Team, das gemeinsam eine Ausstellung entwickeln, und zwar in einer Entwickler-Konferenz. Mittlerweile haben wir ja nicht nur in Ahlen ein Schülerlabor, sondern auch an anderen Standorten, darunter neuerdings auch in Recklinghausen und Bottrop. So ein Entwicklungs-Prozess kann durchaus einmal ein ganzes Jahr dauern. Manchmal kommen mir aber auch beim Joggen gute Ideen.
Unsere Lernumgebungen widmen wir klassischen Themen, die in den Schulen Anknüpfungspunkte in Physik, Chemie und Mathematik haben, zum Beispiel Elektrischer Strom, Kräfte, Licht und Schatten oder Wasser spielen da eine Rolle. Diese Themen bereiten wir dann so auf, dass sie weit über das normale Experimentieren hinausgehen. Wir versuchen, die gesamte Literatur, die uns zur Verfügung steht, zu nutzen und den Schülern und Lehrkräften außergewöhnliche Dinge anzubieten. Das macht auch den Reiz vom PhänomexX aus: Es gibt keine einzelnen Stationen, sondern ein Gesamtarrangement zu einem Thema.
Sie sind Grundschulrektor und Dezernent der Bezirksregierung Münster im Ruhestand und haben damals das PhänomexX gegründet. Woher rührt Ihre Leidenschaft für die unterschiedlichsten Experimente?
Böhm: Als Zehnjähriger hatte ich eine elektrische Eisenbahn zuhause, mit der ich gelernt habe, was ein Plus-und Minus-Pol ist, wie man Signale ein- und Stromkreise aufbaut. In der Schule habe ich am naturwissenschaftlichen Zweig des Laurentianums in Warendorf sehr viel über Physik und Chemie gelernt und war immer schon ein großer Freund davon, dass man möglichst nah dran an der Praxis ist, experimentiert und Versuche macht.
„Kinder haben ein ursprüngliches Interesse an naturwissenschaftlichen Phänomenen“
Frage: Warum ist es so wichtig, Kinder frühzeitig für naturwissenschaftliche Phänomene zu begeistern?
Böhm: Wenn man die Kinder bei uns beobachtet, sieht man, dass es allen Kindern große Freude macht, etwas auszuprobieren, herauszufinden, wann ein Lämpchen leuchtet, wenn man es in einen Stromkreis einbaut. Für die Kinder sind das ganz wichtige Erfahrungen, die zeigen, dass es ein ursprüngliches Interesse an naturwissenschaftlichen Phänomenen gibt. Ich finde es ein bisschen schade, dass dieses Interesse verebbt und das Naturwissenschaftliche nicht mehr diesen Stellenwert hat, wenn Kinder älter werden. Daher finde ich unser Angebot so wichtig, um dieses ursprüngliche Interesse zu erhalten und zu fördern. Wenn das gelingt, haben wir in der Oberstufe gut gefüllte Leistungskurse in den naturwissenschaftlichen Fächern und später dann auch nicht so einen Fachkräftemangel in den MINT-Berufen.
„Wir sind weiterhin auf der Suche nach Unternehmen oder Einrichtungen, die ,Schulpartnerschaften` übernehmen“
Zwischen zdi.NRW, zu dem auch das zdi-Netzwerk im Kreis Warendorf gehört, und dem PhänomexX gibt es seit Jahren eine enge Kooperation. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen dem zdi-Netzwerk im Kreis Warendorf und Ihnen konkret aus? Böhm: Wir tauschen uns regelmäßig im Arbeitskreis MINT aus, zudem bin ich häufig zu Gast in der zdi-Geschäftsstelle in Oelde. In den vergangenen zwei Jahren gab es ein Förderprojekt, bei dem uns das zdi-Netzwerk im Kreis Warendorf im Rahmen ihres EFRE-Projektes unterstützt und die Tagungskosten einzelner Schulen übernommen hat, um diese auf PhänomexX aufmerksam zu machen. Das hat dazu geführt, dass wir neun Schulen neu gewinnen konnten. Wir sind übrigens auch weiterhin auf der Suche nach Unternehmen oder Einrichtungen, die dauerhaft solche ,Schulpartnerschaften` übernehmen.
13 Jahre PhänomexX. Wie viele Schulen, Klassen und Schüler haben die Einrichtung in dieser Zeit besucht?
Böhm: Ich bin gerade dabei, die Auswertung zu machen, aber ich denke, wir hatten in der Zeit rund 35.000 Schülerinnen und Schüler bei uns. In den vergangenen vier Jahren waren wir bis auf wenige Schultage ausgebucht. An den restlichen Tagen fanden bei uns Fortbildungen statt.
Und auch für die Zukunft sind Sie gut gerüstet. Das PhänomexX Konzept soll weiter in die Welt beziehungsweise in das Münsterland getragen werden. Auf dem Fachtag MINT im vergangenen Jahr haben Sie bereits ein neues Projekt unter dem Titel „Grundbildung Informatik – mit und ohne Computer“ vorgestellt. Was genau hat es mit diesem Informatikmobil auf sich?
Böhm: Das neue Mega-Thema in Industrie und Bildung ist ja Industrie 4.0. Daher sehen wir es auch als unseren Auftrag, uns intensiv mit der Digitalisierung zu befassen. Mithilfe der EFRE-Förderung wollen wir eine Lernumgebung erstellen, in der Digitalisierung in all ihren Facetten dargestellt wird. Hard- und Software, binäres Zahlensystem oder auch Robotik sind nur einige Felder, die wir dort behandeln. Ziel ist es diese Lernumgebung als ein mobiles, modulares Element anzubieten, das wir aus der Ausstellung abbauen und in Schulen aufbauen können. Die Lehrer-Fortbildung wird auch bei diesem Projekt, das ab Oktober offiziell startet, ein wichtiger Bestandteil sein.